Das letzte der sechs Ortsteilgespräche befasste sich mit dem kleinsten Gemeindeteil Schönefelds – Selchow. Der sich an Waßmannsdorf anschließende Ortsteil hat nur etwas über 170 Einwohner*innen. Einige von ihnen hatten sich im Seniorenclub zusammengefunden, um gemeinsam die Diskussion zum INSEK zu verfolgen. Etwa eine Handvoll weiterer Bewohner*innen nahm direkt an der Videokonferenz teil. In Summe waren das zwar etwas weniger Teilnehmer als bei den Ortsteilgesprächen zuvor, doch im Verhältnis zu seiner Größe erzielte Selchow dennoch eine beachtliche Beteiligungsquote. Höher lag nur Kiekebusch, die zweitkleinste Gemeinde.
Selchow sei ein sehr spezieller Ort, sagte Moderator Michael Steinke vom Büro SÖR, das im Auftrag der Gemeinde das INSEK leitet. Auf der einen Seite sei der historische Ortskern sehr präsent, auf der anderen ist der unmittelbar am Flughafen gelegene Ortsteil von Gewerbe geprägt, wie kaum ein anderer. So dicht wie dort rückt nirgends großteiliges Gewerbe an die doch recht kleinteilige Wohnbebauung heran. Das Wohnbaupotenzial ist zudem erschöpft, weitere Bebauung aufgrund der Siedlungsbeschränkung ausgeschlossen. Selchow hat bereits heute den größten Altersdurchschnitt der Gemeinde. Der Anteil der über 67-Jährigen ist vergleichsweise hoch, genau wie der der 43- bis 67-Jährigen, den zukünftigen „Alten“. Die Einwohnerzahl ist zudem rückläufig. Damit stellen sich, so Steinke, große Herausforderungen für die Zukunft, sowohl an die Mobilität als auch an die Infrastruktur.
In einer Masterplanung aus dem Jahr 2011 wurde daher für den durch Lärm und Emissionen gebeutelten Ortsteil eine Transformation und Weiterentwicklung hin zu einem Gewerbestandort empfohlen, bei dem das Wohnen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Diese Planung, so zeigte sich in der Diskussion, hält den aktuellen Wünschen jedoch nicht stand. Trotz aller Beschwerlichkeiten und Umstände leben die Selchower gern in ihrem Ort und sie wollen dort auch bleiben. Das belegt nicht nur die hohe Quote der Inanspruchnahme der Entschädigungszahlungen für den Schallschutz, die Bewohner*innen verdeutlichten dies auch selbst in dem Gespräch. Es gäbe durchaus Potenzial, argumentierte etwa Ortsbeiratsmitglied David Exner. Er verwies auf die aktuelle Entwicklung eines Wohngebietes mit bis zu 100 neuen Einwohnern. Zudem stünden Wohnungen leer, die jedoch nicht vermietet würden, obwohl die Nachfrage sehr groß sei. Gemeindevertreterin Alexandra Felix-Plass sprach zudem von einer großen Identifikation der Selchower, die jeder sofort spürt, der im Ort unterwegs ist, ob beim Spazieren, als Jogger oder Radfahrer. „Wenn die Selchower bleiben wollen, dann müssen wir auf die Bürger hören“, sagte sie.
Die Chance für Selchow, das neben Flughafen, Gewerbe und nahegelegener Bahntrasse trotzdem noch einen hohen Anteil Grün aufweist, bestehe vor allem auch im Tagestourismus, erläuterte Michael Steinke. In unmittelbarer Nähe befindet sich etwa das Naturschutzgebiet Torfbusch, auch der Gutspark habe im Hinblick auf den Erholungscharakter und als identifikationsstiftendes Merkmal Potenzial.
Im Vergleich zu den anderen Ortsteilen hat das Büro SÖR das strategische Ziel für Selchow – vor allem vor dem Hintergrund der bestehenden und aktuell noch zu diskutierenden Masterplanung- zunächst sehr viel offener und ohne konkrete Vorschläge formuliert. Die Zukunft Selchows als Wohn- und Gewerbestandort könne nur in enger Einbindung aller Beteiligten entwickelt werden, hieß es.
Wie sehen die Selchower ihren Ort?
In einer anschließenden Umfrage hatten die Selchower Gelegenheit, ihren Ort mit Merkmalen zu beschreiben, die für sie am treffendsten sind oder aus der eigenen Pespektive die höchste Bedeutung genießen. Hier taten sich die Selchower etwas schwer. Von den Beteiligten äußerten sich nur wenige, so dass die Umfrage nicht unbedingt als repräsentativ gelten kann. Hervorgehoben wurden die Nähe zur Natur, als auch zur Hauptstadt.
In einer weiteren Umfrage bestimmten die Selchower aus einer vorgegebenen Auswahl die aus ihrer Sicht wichtigsten Handlungsfelder. Hier konnten jeweils drei genannt werden. Wie schon in den anderen Ortsteilen stellt auch in Selchow das Thema Verkehr und Mobilität eines der wichtigsten dar. Gefolgt von den Themenbereichen Wohnen sowie Kultur und Freizeit. Für das Büro SÖR ein wichtiger Hinweis, der den Willen der Selchower zum Verbleib in ihrem Ort noch einmal unterstreicht.
Welche konkreten Vorschläge gibt es?
Die vorgebrachten Vorschläge der Selchower decken sich mit dem Wunsch, die Lebensqualität im Ort zu erhalten und zu erhöhen. So wird etwa eine weitere Bebauung und Umschließung des Ortskerns mit Gewerbe abgelehnt. Das Grün soll erhalten und insbesondere die Aufenthaltsqualität im Gutspark erhöht werden. Daneben werden weitere Radwegeverbindungen gewünscht, beispielsweise nach Mahlow. Eine Möglichkeit sei die Verlängerung des Radwegs in der Messestraße. Um die Naherholungsgebiete, wie den Torfbusch, besser nutzen zu können, werden vor Ort Parkplätze gewünscht. Zudem soll das touristische Potenzial, der in der Einflugschneise des BER gelegenen Gaststätte „45 über Null“ als Ausflugsziel stärker genutzt werden.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit dem Ortsteilgespräch in Selchow ist die virtuelle Bürgerbeteiligungsrunde zunächst abgeschlossen. Bis zum 31. Mai 2021 sammelt das Büro SÖR aber weiterhin Vorschläge und Ideen. Diese können über die bekannten e-Mail-Adressen sowie beim jeweiligen Ortsbeirat eingereicht oder auch im Rathaus abgegeben werden. Anschließend werden sie bewertet und analysiert. In der Folge sollen ein Leitbild für die Gemeinde erstellt und Handlungsschwerpunkte abgeleitet werden.